Eine Erfolgsgeschichte nach Schweizer Art
Sind die Schweizer eigentlich für die Schifffahrt zu begeistern?
Die Schweiz ist zwar ein Binnenland, aber ja, die Schweizer sind begeisterte Schifffahrer. Was man oft vergisst: Die Schweiz ist ja eigentlich ein Seenland wie Österreich. Es gibt da neben dem Bodensee zum Beispiel den Walensee, den Zürichsee, den Vierwaldstättersee, den Neuenburger- und Bielersee, die miteinander verbunden sind, dann im Süden den Lago Maggiore, den Lago di Lugano, die ja auch Grenzgewässer zu Italien sind. Oder den Lac Léman, auch Genfersee genannt, den größten Schweizer See, um nur die bekanntesten zu nennen. Auf jedem dieser Seen gibt es auch Schifffahrt.
Das Schweizer Ufer des Bodensees ist ja selbst im Hochsommer oft ein echtes Naturparadies und schön ruhig im Vergleich zum restlichen Bodensee.
Es ist eine Tatsache, dass das Schweizer Ufer touristisch weniger entwickelt ist. Womit das zusammenhängt, kann ich nicht mal genau sagen. Vielleicht muss man hier ein wenig in die Vergangenheit des Kantons Thurgau blicken. Thurgau war ja ein sogenanntes Untertanengebiet der Eidgenossenschaft mit viel traditioneller Viehzucht und Ackerbau. Deshalb ist hier auch keine große Stadt entstanden. Und so hat der Kanton Thurgau ein etwas spezielles Dasein gehabt. Im 19. Jahrhundert ist dann sehr schnell industrialisiert worden. Es gibt zwar nach wie vor viel Landwirtschaft, aber wir leben nicht davon. Wir sind heute eine Industrie- und Gewerberegion. Ich würde sagen, Tourismus liegt also nicht so in den Genen der Thurgauer.
Ist das ein Nachteil für die Region?
Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits gibt es zu wenig Hotels, um den Tourismus zu beleben – und dieser wird in Zukunft sicher eine wichtigere Rolle spielen. Der Vorteil ist, es ist ruhiger hier, man kann gut Fahrrad fahren und es ist speziell im Sommer nicht so überlaufen wie in Deutschland und Österreich. Wir haben hier noch sehr viel naturnahes Ufer. Früher wollte niemand Seeufer. Die Bauern wollten es loswerden. Auf der deutschen Seite ist das Land kostbarer. Da gibt es sehr viele Weingüter. Und die Weingüter bringen mehr Ertrag und Geld. Man sieht das auch daran, dass die Weinbauorte auf deutscher Seite stattlicher sind. Wir kommen hier am Schweizer Bodenseeufer touristisch nur sehr langsam in Fahrt. Ich wollte ja schon lange ein Hotel am Hafen Romanshorn bauen und ich bin nun schon acht Jahre dran. Eigentlich wissen wir alle, dass es das braucht, aber es ist kompliziert. Tourismusinvestitionen haben in der Schweiz nicht so einen guten Ruf wie solche in Gewerbe und Industrie.
Das Restaurant „Hafen“ in Romanshorn wurde 2015 neu eröffnet. Wie wird es vom Publikum angenommen?
Unser Restaurant „Hafen“ ist seit der Eröffnung ein großer Erfolg und bei der Bevölkerung und Gästen sehr beliebt. Wir machen so gegen 2,5 Mio. Franken Umsatz im Jahr. Es ist ganzjährig geöffnet. Wir haben eine große Terrasse, ein Teil der Terrasse ist auch regensicher gedeckt. Heute machen wir zusammen mit den Schiffen einen Gastronomieumsatz von ca. 5 Mio. Franken. Das ist deutlich mehr, als es früher war. Auch in der Corona-Zeit ist das Restaurant sehr gut gebucht gewesen.
Im Jahre 2005 feierte die Schweizerische Bodensee-Schifffahrt AG ihr 150-jähriges Bestehen. Welche Meilensteine sind seither in der Geschichte der SBS geschrieben worden?
Die Schweizerische Bodensee-Schifffahrt AG ist im Jahr 2007 durch private Investoren von den Schweizerischen Bundesbahnen übernommen worden. Ich bin seit der Übernahme Hauptaktionär und Präsident des Verwaltungsrates. Wir haben ein ziemlich heruntergekommenes Unternehmen gekauft und haben dann zuerst die Ertragslage gedreht. Wir haben die Kosten gedrückt und die Erträge verbessert. Nun sind wir seit 2010 jedes Jahr positiv – mit Ausnahme der beiden Corona-Jahre. Wir haben einen Cashflow von 15 bis 18 %. Die gesamten selbst erarbeiteten Mittel sind wieder in die Firma investiert worden. So haben wir die Werft, das Schifffahrtsgebäude und die Hafenanlage saniert, das Restaurant gebaut und mehrere Schiffe renoviert bzw. neu motorisiert.
Seit 2021 ist die SBS bei der österreichischen Historischen Schifffahrt Bodensee GmbH beteiligt. Wie kam es zu diesem Schulterschluss?
Herr Markus Flatz vom Förderverein Museumsschiff Oesterreich ist auf uns zugekommen, ob wir nicht mit den beiden Eigentümervereinen der Hohentwiel und der Oesterreich kooperieren möchten. Wir haben das dann diskutiert und sind mit einer kleinen Beteiligung von 20 % bei der neu gegründeten Historischen Schifffahrt Bodensee GmbH (HSB) eingestiegen. Es handelt sich nur um eine Betriebsgesellschaft, wir sind nicht Miteigentümer der Schiffe. Unsere Rolle ist diejenige des neutralen Dritten in dieser Konstellation. Wir hoffen gemeinsam mit den Schiffseignern, dass wir ab 2022 sehr vernünftige Resultate haben werden. Man darf noch dazu sagen, dass wir aus Sicht der SBS sehr angetan sind von den Leuten, die in der HSB tätig sind. Es sind durchwegs gute und motivierte Mitarbeiter, die über ein großes Potenzial verfügen. Die historischen Schiffe Hohen-twiel und Oesterreich sind wunderschön und sprechen ein kaufkräftiges Publikum an. Grenzüberschreitende Kooperationen sind gerade am Bodensee, wie ich finde, einfach eine naheliegende und richtige Sache.
Die SBS betreibt 9 Schiffe auf dem Bodensee, darunter auch Motorfähren. Welche Bedeutung hat der Fährbetrieb auch heute noch auf dem Bodensee?
Der Fährbetrieb Romanshorn–Friedrichshafen ist ein wichtiger Bestandteil. Wir teilen uns dieses besondere Schiffsangebot mit den deutschen Kollegen von der BSB Bodensee Schiffsbetriebe GmbH. Es gibt drei Fähren. Die MF Friedrichshafen ist in Besitz der BSB, die MF Romanshorn gehört uns und die MF Euregia besitzen wir gemeinsam. Unter normalen Umständen transportieren wir 600.000 Personen pro Jahr, 60.000 Personenwagen, 8.000 LKW und 50.000 Fahrräder. Das ist das ungefähre Geschäftsvolumen für diese drei Fähren. Es gibt eine gewisse Zahl von Pendlern und sodann viele, die in Romanshorn auf das dichte Schweizer Bahnnetz umsteigen. Diese Fähren verbinden vor allem die Region Friedrichshafen mit der Region Oberthurgau und St. Gallen. Der Kanton Thurgau und auch die Eidgenossenschaft wollen diese Verbindung und fördern uns auch. Der Fährbetrieb hat also eine regionale Bedeutung.
Wie verlief die Saison 2020/21 trotz Corona?
Die Umsätze sind natürlich stark zurückgegangen. Dennoch konnten wir einen positiven Cashflow erzielen, alle Rechnungen bezahlen und den Personalbestand (im Jahresdurchschnitt rund 100 Mitarbeitende) halten. Aber wir sind natürlich nicht mehr in der Lage gewesen, zu investieren. 2021 hat sich die Umsatzlage etwas verbessert. Wir sind jedoch noch weit weg von einem normalen Jahr. Wir hoffen, dass es 2022 wieder ein halbwegs ausgeglichenes Ergebnis geben wird. Die Lage ist ernst, aber wenn es sich jetzt wieder beruhigt, dann ist es nicht bedrohlich.
Corona hat auch die Klimadiskussion verstärkt. Am Bodensee zeichnet sich ein Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit ab.
Wir haben zwei große Gebäude, die früher unglaubliche Mengen an Heizöl verbraucht haben, saniert, isoliert und mit modernen Gasheizungen ausgestattet. Wir stoßen heute also allein dadurch viel weniger CO2 aus als zu Zeiten der SBB. Außerdem haben wir einige Schiffsmotoren ersetzt und mit Partikelfiltern ausgerüstet. Sie laufen sauberer und sparsamer, aber immer noch mit Diesel. Wir haben uns stark verbessert, aber wir sind natürlich nicht CO2-neutral. Die realistische Erwartung für ein Unternehmen wie die SBS ist meines Erachtens, dass wir dieses Ziel nicht vollständig erreichen können. Wir werden aber unseren CO2-Ausstoß im Verlauf der nächsten 10 bis 15 Jahre noch deutlich reduzieren können.
Welche Maßnahmen wurden und werden diesbezüglich von der SBS gesetzt?
Im Moment verhandeln wir ganz konkret mit verschiedenen Technologie-Unternehmen. Diese haben sogar selber bei uns angefragt, ob sie für uns tätig werden können. Unsere beiden „Oldtimer“ von 1932, das Motorschiff Zürich und das Motorschiff Thurgau, müssen renoviert werden. Das kostet zwar Millionen, aber wir können diese Mittel unter normalen Umständen selber erarbeiten. Ganz konkret reden wir über einen Elektro-Antrieb mit Wasserstoff-Brennstoffzellen. Ein Elektroantrieb auf Batterie-Basis ist bei großen Schiffen nicht machbar, wegen des Gewichts und der fehlenden Aufladungszeit. Wir haben das für den Fährbetrieb gemeinsam mit unseren deutschen Kollegen überlegt und sind zu dem Schluss gekommen, dass es technisch und finanziell nicht geht. Die größte LKW-Flotte in Europa, die mit Wasserstoff-Brennzellen angetrieben wird, fährt übrigens in der Schweiz. Diese LKWs tanken schon Wasserstoff und sind ganz normal bei großen Transportfirmen im Einsatz. Gestützt auf diese Technologie und Erfahrung, möchten die mit uns im Gespräch befindlichen Technologie-Unternehmen diese Lösung auch bei der SBS umsetzen.
Wir danken für das Gespräch.