Karpfen mit Hut
Er poltert über Holzplanken, quietscht über Asphalt, rumpelt über Ufersteine und knirscht über Sand, bis das Wasser daran leckt und den Zuber leicht anhebt.
„Bitte einsteigen!“ Bär verbeugt sich wie ein Kapitän und reicht Puppe die Pfote. Kichernd klettert sie in den Zuber, streckt ihre Beinchen aus und macht es sich bequem. Bär steigt ebenfalls ein und setzt sich ihr gegenüber. „Hoppla.“ Das Boot droht zu kentern. Schnell sticht Bär mit der kleinen Schaufel ins Wasser. Puppe versucht es mit der Schöpfkelle. Aber das Boot dreht sich nur im Kreis.
„So geht das nicht“, sagt Puppe, dreht sich um und kehrt Bär den Rücken zu. Sie knien sich hin und stechen mit ihren Paddeln ins Wasser. „Auf mein Kommando!“, ruft Puppe. „Und links … und rechts … und links … und rechts.“ Bald finden sie einen gemeinsamen Rhythmus und das Boot nimmt Fahrt auf. Hurra! Hinaus geht’s auf den offenen See. Was für ein prima Ausflug. Die Sonne scheint warm vom blauen Himmel. Am Ufer glänzen silbern die Weiden und in der Ferne fahren die Hohentwiel und die MS Oesterreich. „Haaalloooo!“, rufen sie. Als Antwort bekommen sie ein tiefes Blubbern. Ein grauer Schatten gleitet durch das Wasser. Es ist ein stattlicher Karpfen, der um sie herumschwimmt, ganz neugierig auf das ungewöhnliche Boot.
„Ich brauch Pause“, stöhnt Puppe und lässt die Schöpfkelle sinken. „Ich auch“, sagt Bär, „Paddeln ist anstrengend.“ Sie legen sich gemütlich nebeneinander, stecken ihre Köpfe zusammen und blättern im Comic. Sie kichern und mampfen Butterkekse, die sie mit dem Karpfen teilen, der mit seinem großen Maul nach den Krümeln schnappt.
„Donald Duck hat fast so einen hübschen Matrosenanzug wie du“, stellt Puppe fest.
„Aber schau mal, wie wasserscheu der ist.“ Bär lacht über die Comic-Ente, die mit Brille, Schnorchel im Schnabel und Sauerstoffflasche auf dem Buckel nach einem Schatz in einem versunkenen Schiff taucht. Bär blättert um. Es schaukelt angenehm. Sehr angenehm. Bär atmet tiefer, langsamer. Das Heft fällt ihm aufs Gesicht. Auch Puppe klappen die Augen zu. Nur der Karpfen bleibt wach, umkreist das Schiff und stellt besorgt fest, dass Wind von den Bergen stürzt und kräftig durch das Wasser wühlt. Wolken türmen sich auf. Das Schiffchen fängt an zu tanzen. Der Karpfen pocht mit seinem Maul gegen das Boot. Davon erwacht Puppe.
„Bär, ich glaub, wir sind eingeschlafen“, murmelt sie und reibt sich die Augen.
Gähnend setzt sich Bär auf und hebt besorgt seinen Blick. „Wo kommen denn die schwarzen Wolken auf einmal her?“ Unheilvoll braut sich ein Sturm über ihnen zusammen.
„Oh nein!“, ruft Puppe. Da ist es schon zu spät – eine Windböe hat ihr den Hut vom Kopf gerissen. Tränen schießen ihr in die Augen. Es war ihr Lieblingshut.
„Ich hol ihn dir!“ Kopfvoran springt Bär ins wilde Wasser.
„Du kannst doch gar nicht schwimmen!“, brüllt Puppe, lehnt sich über den Rand und kriegt seine Pfote zu fassen. Bär ist schwer. Bär japst nach Luft. Auf keinen Fall wird Puppe loslassen. Da kippt das Boot. Mit Puppe, mit Donald Duck, den Butterkeksen und dem Schlafsack. Zum Glück ist Puppe eine gute Rettungsschwimmerin. Hustend und prustend kann sie sich und Bär auf das gekenterte Boot retten, wo sie nun bäuchlings liegen und nach Luft ringen. Die ersten Tropfen klatschen ihnen auf die Köpfe. Der See bekommt Kringel. Viele Kringel. Überall am See blinkt es – die Sturmwarnleuchten am Ufer, die Schiffe in Seenot, das Boot der Wasserrettung. Es fährt auf sie zu.
„Wer hat die denn gerufen?“, fragt Puppe.
„Dein Hut“, sagt Bär und grinst. Puppe klappt der Mund auf, als sie sieht, dass nicht nur die Wasserrettung, sondern auch ihr Hut auf sie zugeschwommen kommt. Unter dem Hut verbirgt sich der Karpfen. „Danke, lieber Karpfen! So ein Glück, dass du Butterkekse magst.“