Kammerspiel auf großer Bühne
Andreas Homoki wurde 1960 als Sohn einer ungarischen Musikerfamilie in Deutschland geboren und studierte in Berlin Schulmusik und Germanistik. Seine künstlerischen Stationen als freier Regisseur führten ihn zunächst nach Genf, wo er als erste Gastinszenierung für seine Deutung der Oper „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss internationale Beachtung fand und später dafür den französischen Kritikerpreis 1994 erhielt. Von 1993 bis 2002 war Andreas Homoki als freier Opernregisseur tätig und inszenierte u. a. in Köln, Hamburg, Lyon, Leipzig, Basel, Berlin, Amsterdam und München. Bereits 1996 debütierte er an der Komischen Oper Berlin, 2002 wurde er dort als Nachfolger von Harry Kupfer zum Chefregisseur berufen, zwei Jahre später zum Intendanten. Ab der Spielzeit 2012/13 kam Homoki ans Opernhaus Zürich, wo er als regieführender Intendant selbst öfter Hand anlegte und eine Reihe viel beachteter Operninszenierungen schuf. Seine Arbeiten zeichnen sich generell weniger durch einen wiedererkennbaren Stil aus als durch sorgfältige Personenregie und Wandlungsfähigkeit im Eingehen auf das jeweilige Stück. Seit 1999 ist Homoki Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
Haben Sie schon einmal in solchen räumlichen Dimensionen inszeniert, wie sie die Seebühne aufweist? Wie groß ist Ihr Respekt vor einer solchen Aufgabe?
Die räumlichen Dimensionen der Seebühne sind einzigartig, natürlich habe ich allergrößten Respekt.
Wie groß waren Ihre konzeptionellen Freiheiten, wenn es in Gesprächen mit den Verantwortlichen an die Finanzierung ging?
Es gibt konzeptionell erstmal vollkommene Freiheit – aber das Team der Festspiele hat natürlich große Erfahrung, was auf dem See geht und was nicht. Es wäre unklug, nicht auf deren Rat zu hören. Auch der finanzielle Rahmen orientiert sich daran, größtmögliche Freiheit zu geben. Was nicht bedeutet, dass nicht ausgesprochen verantwortungsbewusst budgetiert wird.
Ich denke da an das Bühnenbild, das nach dem „Rigoletto“-Kopf in Hightech nun wieder statischer werden soll und von Ihnen in enger Zusammenarbeit mit Ihrem Bühnenbildner Michael Levine konzipiert wurde – was verbirgt sich diesmal dahinter, was wird es können?
Lassen Sie sich überraschen.
Wie gut eignet sich „Butterfly“ überhaupt für ein Open Air auf dem See, wo man meist die großen Aufmärsche liebt – es ist doch eigentlich ein Kammerspiel mit vielen intimen Szenen, wo man die Sänger über die große Distanz ans Publikum bringen sollte?
Eine Bühne muss nicht immer mit Figuren vollgestopft sein, um eine theatralische Wirkung zu erzielen. Die Herausforderung eines Kammerspiels auf großer Bühne reizt mich sehr.
Sie kennen sicher das gängige Vorurteil, das diesem Werk anhaftet: das sei eine gefühlsmäßig überfrachtete Kitschoper wie aus dem Groschenroman. Wie ist Ihre Einschätzung dazu und wie gehen Sie damit um?
Wer sagt denn sowas?! Ich sehe die Geschichte einer unglaublich starken jungen Frau und ihren leidenschaftlichen Kampf, aus ihrem beengten Leben auszubrechen. Dass dieser Kampf sich letztlich als aussichtslos erweist, macht die Geschichte umso erschütternder.
Man wird von Ihnen sicher keine japanische Folklore-Oper erwarten, aber es gibt da in Bregenz immer diesen berühmten Spagat zwischen Qualität und Quote: dass Sie nämlich zu einer tadellosen Oper als Seespiel auch ein „Sehspiel“ erfinden sollten mit Showelementen für die weniger operngängigen Besucher.
Das japanische Kolorit ist ein wichtiger Bestandteil der Oper. Und es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, dieses theatralisch effektvoll umzusetzen. Denken Sie nur an die kraftvollen Formen des tradi-tionellen japanischen Theaters, wie Noh oder Kabuki.
Neben einer Liebestragödie bietet dieses Werk auch ein hartes Aufeinanderprallen sozialkritischer und moralischer Wertevorstellungen und unterschiedlicher Kulturen – ein dankbares Spielfeld für einen Regisseur?
Absolut! Das Stück ist eine Anklage an Kolonialismus und Imperialismus. Die Geschichte ist daher ungeheuer aktuell, was nicht bedeutet, dass wir vordergründig aktualisieren werden.
Die Qualität von Puccinis Musik ist natürlich über alle Zweifel erhaben, enthält aber für das breite Publikum kaum einen absoluten Hit, auf den man wartet wie auf „Nessun dorma“ bei „Turandot“ – ist das ein Problem?
Tatsächlich? Ich dachte immer, Cio-Cio-Sans Arie „Un bel di“ wäre ein solcher Hit … Aber auch sonst ist die Oper voller Ohrwürmer. „Butterfly“ gehört ja nicht umsonst zu den populärsten Opern überhaupt.
Ich meinte für das breite Publikum, nicht für Opern-Enthusiasten. Ein Letztes noch: Sie wohnen am Zürichsee.
Lieben Sie selber das Wasser, können Sie schwimmen? Klar, im Sommer schwimme ich jeden Tag im See.
Wir danken für das Gespräch.