Segel gesetzt
Die ersten Segel flatterten wohl auf dem Nil. Grund für diese Annahme ist der Fund einer Totenurne aus Luxor, die ein Schiff mit Rahsegel zeigt. Ägyptische Schiffe fuhren zwischen dem Nildelta und dem Libanon entlang der Mittelmeerküste. Weil heimische Baumstämme zu kurz waren, musste der Rumpf zusammengestückelt und mit Tauen verspannt werden. Erst mit dem Import von Zedernstämmen aus dem Libanon konnten stabile Rümpfe gebaut und große Lasten transportiert werden. Vor 5.000 Jahren ließ Königin Hatschepsut angeblich einen Obelisken von 700 Tonnen transportieren. Die Schiffe waren zusätzlich mit Rudern ausgestattet. Noch steckte die Segeltechnik in den Kinderschuhen. Seefahrer fuhren, wohin der Wind sie blies, oder sie mussten rudern.
Bild links: Ägyptisches Segelschiff (Wandbild um 1422–1411 v. Chr.). / Bild rechts: Der Segelschiffhafen des Hamburger Hafens um 1900.
Phönizier und Griechen
Die Phönizier lebten im Gebiet des heutigen Libanon, Syrien und Israel und galten als die erfolgreichsten Bootsbauer und Seefahrer. Ihre Handelsschiffe mit Rahsegel und Ruder waren bis zu 30 Meter lang. Die Griechen versuchten, ähnlich erfolgreiche Schiffe zu bauen, was zur Folge hatte, dass man 1.000 vor Christus zwei Segelschifftypen auf dem Mittelmeer sah: Lastschiffe mit geräumigem Rumpf und großem Rahsegel sowie Galeeren, die für schnelle Fahrten mit Segel ausgestattet waren, aber im Kampf oder bei Flaute mit Riemen gerudert wurden. Auch die Erfindung des Kielschiffes wird den Phöniziern zugeschrieben. Damit beherrschten sie lange das Mittelmeer. Segelschiffe, die höher am Wind segeln konnten, schafften längere Strecken, brauchten keine Rudermannschaft und hatten deswegen wesentlich mehr Platz für Handelswaren.
Römer
Als im Konflikt mit den nordafrikanischen Karthagern der Kampf zu Wasser entscheidend wurde, waren die Römer fast wehrlos gegen ihre technologisch viel besser ausgerüsteten und seemännisch erfahreneren Gegner. Römische Zimmerleute nahmen das Wrack eines erbeuteten Schiffs als Modell und bauten in nur zwei Monaten eine Flotte von 160 Schiffen. Sie entschieden den ersten Punischen Krieg für sich und besiegten 100 Jahre später Karthago endgültig. Unter den hochseetauglichen Schiffen der Antike gab es große Exemplare, die bis zu 1.300 Tonnen Weizen transportieren konnten. Der Aufbau solcher Großraumfrachter konnte sehr komplex sein. Seit dem 5. Jahrhundert vor Christus sind Dreimaster mit bis zu drei Decks bekannt. Der Kielraum war mit Ballast (Sand oder Steine) gefüllt. Meist das jüngste Crew-Mitglied musste mit Eimern eindringendes Wasser aus dem Kielraum schleppen. Direkt darüber wurden im Frachtraum Amphoren und Getreidesäcke gestapelt. Um die Ladung bei Stürmen zu schützen, stopfte man Zweige und Geäst als Füllmaterial in die Zwischenräume. Bekannt sind Kombüsen, die jene des 16. Jahrhunderts an Größe und Komfort übertrafen. Am Hinterschiff war ein erhöhtes Deck mit einer Kajüte, in der der Kapitän oder der Reeder untergebracht war. Davor stand der Steuermann an zwei großen Steuerrudern. An Deck befand sich häufig ein Altar, auf dem bei sicherer Ankunft Opfer dargebracht wurden. Matrosen mussten den Mast mit Strickleitern erklettern. Auf offener See wurde ein zusätzliches, dreieckiges Segel oder Stagsegel gehisst.
Wikinger
Im Mittelalter entwickelte sich der Schiffsbau in Europa in zwei Richtungen. Während sich am Mittelmeer die römische Tradition fortsetzte, bauten die Wikinger im Norden äußerst geschickt ihre eigenen schmalen Boote in Klinkerbauweise, wobei die Bohlen wie Dachziegel übereinandergelegt wurden. Angetrieben durch ein einziges Rahsegel und kräftige Ruderer, waren sie enorm schnell und erreichten eine Spitzengeschwindigkeit von bis zu 20 Knoten. Neben den Langschiffen bauten die Wikinger geräumige, bauchige Handelsschiffe, die sie Knorr nannten. Damit segelten sie nach Island, Grönland und Neufundland. Sie verwendeten ein einziges Rahsegel an einem mittig aufgestellten Mast, der im Laufe der Zeit einen Mann im Ausguck und einige Bogenschützen aufnehmen konnte.
Die Hanse
Als Weiterentwicklung der Knorr entstand die Kogge. Erstmals hatte ein Schiff ein befestigtes Heckruder, wodurch es besser steuerbar wurde. Im Europa des späten Mittelalters war die Kogge das Universalfahrzeug schlechthin und das wichtigste Transportmittel der Hanse. Tausende Koggen waren für den Kaufmannsbund im Einsatz und sicherten dessen wirtschaftlichen Erfolg, indem sie so gut wie alles transportierten: Wein, Tuch, Korn, Heringe, Pilger und Soldaten.
Zeitalter der Eroberungen
Obwohl Prinz Heinrich von Portugal nie selbst zur See fuhr, nannte man ihn „den Seefahrer“. 1416 richtete er eine Seefahrerschule ein, in der alles gelehrt wurde, was man über Schiffsbau, Navigation und Kartografie wissen musste. Kolumbus, da Gama und Magellan segelten mit Karavellen nach Amerika, Indien und um die Welt. Die großen Schiffe hatten drei oder vier Masten und eine gemischte Betakelung, womit die Steuerung erleichtert wurde. Das Zeitalter des Kolonialismus verhalf Spanien und Portugal zu gigantischem Reichtum, was Niederländer, Franzosen und Briten dazu verleitete, ebenfalls in den Seehandel einzusteigen. Sie verschifften Waren nach Afrika, die sie dort gegen Sklaven tauschten und weiter nach Amerika fuhren, wo sie die Sklaven gegen begehrte Güter wie Zucker, Baumwolle oder Tabak eintauschten und mit gut gefüllten Schiffsbäuchen zurück nach Europa segelten. Für ihre Reisen nutzten sie Galeonen – riesige, mit Kanonen bestückte Segelschiffe. Sie waren 50 Meter lang, hatten einen 50 Meter hohen Mast und einen Rumpf so hoch wie ein fünfstöckiges Gebäude.
Passagierfahrten im 19. Jhdt.
Tee war eine besonders kostbare Fracht, die durch lange Lagerzeit an Bord an Qualität verlor. Schnelligkeit war gefragt. Bei den „Tea Races“ wurde zum Sieger gekürt, wer als Erstes ein Päckchen mit Teeproben im Londoner Hafen auf die Pier warf. Die Amerikaner fuhren mit schnittigen, stromlinienförmigen Klippern vorneweg, die Briten zogen nach und ersetzten rar gewordenes Krummholz teilweise durch Eisen. Zur gleichen Zeit wurde die Passagierschifffahrt immer wichtiger. Schiffe, die meist wohlhabende Reisende gegen Bezahlung über den Atlantik brachten, mussten nicht nur schnell, sondern zunehmend auch komfortabel sein. Schon Ende des Jahrhunderts stiegen die Passagiere jedoch schon wieder um auf neue, zuverlässige Dampfschiffe. Nur noch Massengüter wurden einige Zeit mit der Kraft des Windes befördert, auf den großen Windjammern aus Eisen oder Stahl.
Bild links: Schoner Thomas W. Lawson. Das Schiff ging am 14.12.1907 in der Nähe des Hellweather's Reef der Scilly-Inseln verloren, wobei 16 ihrer 18 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen und es zu einem ersten großen Fall von Ölverschmutzung kam. / Bild mitte: Windjammer-Parade 1972 in Kiel. / Bild rechts: Die Defender, die die America's Cup-Herausforderung im Jahr 1895 gewann. Der America’s Cup ist die älteste noch heute ausgetragene Segelregatta und hat seinen Ursprung in einer Regatta rund um die britische Insel Isle of Wight im Jahre 1851.
Die letzten Riesen
Im Dezember 1907 nahm der weltweit größte Schoner, die Thomas W. Lawson, das einzige Segelschiff der Welt mit sieben Masten, Kurs auf den Ärmelkanal. An Bord wurde die Position des Schiffs falsch berechnet. Ein Sturm zog auf, die Ankerketten rissen, das Schiff wurde gegen Felsen geschleudert und sank. An Bord waren mehr als zwei Millionen Gallonen Öl. Nie wieder wurde ein Schiff mit sieben Masten gebaut. Ein Frachtsegler namens Priwall war eine Viermastbark, die 1938 bis heute den Rekord für die schnellste Umrundung von Kap Hoorn in ostwestlicher Richtung hält. Sie sank 1945 nach einem Ladungsbrand vor der peruanischen Küste. Während also manch ein Großsegler in den Weltmeeren unterging, entdeckten reiche und adelige Briten das Segeln als Sport- und Freizeitvergnügen. 1852 fand das „100 Guinea Cup“-Rennen statt, der Vorläufer des „America’s Cup“. Auf der Kieler Förde startete 1882 die erste Regatta, aus der das größte Segelsportfest der Welt hervorging: die Kieler Woche.
Segeln in die Zukunft
Segeln ist beliebter denn je. Seit einigen Jahren werden gemütliche Segelboote und luxuriöse Yachten jedoch von sehr schnellen Hightech-Booten überholt. Dank GPS können Segelnde ihre genaue Position durch einen einfachen Knopfdruck ermitteln, während ausgefeilte Technik atemberaubende Geschwindigkeiten ermöglicht. Klassische Segel werden durch andere Konstruktionen wie etwa gleitschirmähnliche Zugdrachen ersetzt. In der Handelsschifffahrt findet seit einiger Zeit wieder eine Rückbesinnung auf die umweltfreundliche und kostensparende Windkraft statt.