Facelift für die Grande Dame
310.253 Kilometer hat die Hohentwiel seit ihrer zweiten Jungfernfahrt im Jahre 1990 zurückgelegt und insgesamt 710.273 Fahrgäste transportiert – ohne jegliche Panne, wie Oberkapitän Robert Kössler betont. Damit diese Erfolgsgeschichte auch in Zukunft weitergeschrieben werden kann, war im vergangenen Jahr die große Überholung und Sicherheitsprüfung fällig. Einige Wochen lang lag die Hohentwiel auf dem Trockenen, was gut 150.000 Euro an Kosten verursachte. Finanziert wurde diese stolze Summe vom Verein „Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum e.V.“, welcher seit 1984 mit seinen knapp 2.000 begeisterten Mitgliedern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz Eigentümer des prächtigen Dampfschiffs ist.
Wieder wie neu
Bei dieser Revision wurde buchstäblich jede Schraube umgedreht. Mit jedem Meter, den sich das Schiff aus dem Wasser ins sogenannte Trockendock bewegte, sah man die Spuren der vergangenen Jahre. Besonders bei dieser Überholung wurde deutlich, dass das Thema Quagga-Muschel im Bodensee mittlerweile dramatische Auswüchse annimmt. „So viele Muscheln habe ich noch nie an der Hohentwiel gesehen“, meinte Kapitän Kössler mit besorgtem Unterton. Die ursprünglich im Schwarzmeerraum beheimatete Quagga-Muschel bevölkert den Bodensee mit zunehmender Vehemenz. Insgesamt wurden in Folge drei Tonnen Muscheln vom Rumpf des Schiffes abgekratzt.
Der Schaufelraddampfer wurde nicht nur gereinigt, abgeschliffen, frisch gestrichen und poliert, auch die Sicherheit war ein zentrales Thema. Mit Ultraschall wurde die Unterwasserschale genau überprüft. Ebenso gründlich getestet wurden die Maschine, der Antrieb, die Steuerung und die Rettungseinrichtungen des Schiffes. An Bord der Hohentwiel ist eine Zweizylinder-Heißdampf-Verbundmaschine im Einsatz. Die „schrägliegende doppelwirkende Heißdampf-Zweizylinder-Verbund-Expansionsmaschine mit Kondensation“ – wie sie im Fachjargon heißt – wurde 1912 von Escher, Wyss & Cie in Zürich entwickelt und gebaut, wie auch das Schiff Hohentwiel selbst. Sie war mit diesem Antrieb das damals modernste Schiff auf dem Bodensee. Wer schon mal das Vergnügen hatte, die beeindruckende Dampfmaschine im Einsatz zu bewundern, kann erahnen, wie aufwendig der „große Service“ einer solchen ausfällt.
Zurück in die Zukunft
Sämtliche Metallkomponenten des Schiffs wie Schornstein, Schaufelräder und Rumpf erhielten einen neuen Anstrich. Alle Holzverkleidungen und -möbel an Deck wurden mit Liebe zum Detail von Hand überholt. Viele der notwendigen Arbeiten führte dabei die Besatzung der Hohentwiel selbst durch und half damit, die Kosten in Grenzen zu halten. „Es war für uns alle eine Heidenarbeit, das Schiff wieder auf Hochglanz zu polieren, aber gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen der Werft Romanshorn haben wir es geschafft“, strahlte der sichtlich stolze Kapitän bei der Rückfahrt. Zurück in den Heimathafen nach Hard ging es im Schlepptau – denn für eine solch kurze Strecke vermeidet man das teure Aufheizen der Dampfmaschine. Gut vertäut mit dem zweiten Schiff der HSB, dem Art déco-Motorschiff Oesterreich, ging es bei strahlendem Sonnenschein über den spiegelglatten See nach Hause.
Bild links: Die Hohentwiel gut vertäut im Schlepptau des Motorschiffs Oesterreich bei der Überführung nach Romanshorn. / Bild rechts: Die Buchstaben werden von Conny Simma mit einer Paste auf Hochglanz poliert.