Dramatische Rettung...
Mittwoch, 25. April 1945: Das Ende des Zweiten Weltkrieges war nur noch eine Frage von Tagen, französische Kampftruppen hatten längst das Bodenseegebiet erreicht. Plötzlich geisterte ein von der Lindauer Kreisleitung ausgegangener Befehl herum, die in Lindau und Bregenz vor Anker liegenden Schiffe zu versenken, damit diese nicht in die Hand der französischen Streitkräfte gelangten. Um dies zu verhindern, wurde in der Nacht zum 26. April 1945 ein bis ins Detail ausgearbeiteter „Fluchtplan” in die Tat umgesetzt. Im Schutze der Dunkelheit verließen mehrere gespensterhaft wirkende Konvois von Bodenseeschiffen die Häfen von Bregenz und Lindau, um das sichere Schweizer Ufer anzusteuern. Für die Motorschiffe gab es schon lange keinen Dieseltreibstoff mehr, daher wurden sie von den Raddampfern ins Schlepptau genommen. Lediglich die „Deutschland” fuhr mit eigener Kraft nach Romanshorn. Dort trafen kurz zuvor auch die Motorschiffe „Ostmark” (die heutige „Austria”) und „Allgäu” ein, die vom „DS Stadt Bregenz” geschleppt wurden. Im Hafen von Arbon fanden die Schiffe „Lindau” und „München” Asyl, während in Rorschach die Dampfer „Bavaria” und „Bludenz” vor Anker gingen. Auch die „Oesterreich” war unter den in die Schweiz geflüchteten Schiffen und wurde vom Motorboot
„Reutin” in den Hafen von Staad geleitet.
Initiator der streng geheim gehaltenen Rettungsaktion war der damalige Dezernent bei der Reichsbahndirektion Augsburg, Dr. Ing. Alfred Otter. Er wollte sowohl eine mögliche Zerstörung der Flotte durch SS-Truppen als auch durch die anrückenden Alliierten verhindern. Otter hatte die bedrohliche Situation bereits im Herbst 1944 erkannt und auf eigene Faust mit dem Zürcher Kreisbahndirektor Dr. Fitz Hess Kontakt aufgenommen, der nach langen Verhandlungen einer Internierung zustimmte. Aber erst in den Morgenstunden des 25. April wurde „grünes Licht gegeben”, nachdem Otters Anliegen langwierige Verhandlungen zwischen dem außendiplomatischen Department der Schweiz und den Gesandten der alliierten Westmächte ausgelöst hatte. Jetzt galt es in kürzester Zeit Mannschaften zu mobilisieren und die kalt gestellten Dampfschiffe aufzuheizen.
Insgesamt 46 Mann der Bodenseeschifffahrt wurden aufgeboten, um unter Einsatz ihres Lebens 5 Dampf- und 4 Motorschiffe vor der drohenden Zerstörung zu retten. Die Schiffe durften in der sicheren Schweiz bleiben, aber deren Besatzungen mussten mit dem Boot „Reutin” nach Lindau zurückkehren. Zweifellos hätten den tapferen Seeleuten bei Misslingen dieses Husarenstücks standrechtliche Konsequenzen gedroht. Am 17. Mai 1945 wurden schließlich die in die Schweiz geflüchteten Schiffe von der französischen Behörde beschlagnahmt und in die Häfen von Friedrichshafen und Lindau verbracht. Es war für die Bodenseeschifffahrt die „Stunde null” …