Eine Oper, die mitten ins Herz trifft
Eine „Tragedia giapponese“, eine japanische Tragödie also ist dieses Opern-Sujet, das niemanden kaltlässt. Es geht um die Geisha Cio-Cio-San, genannt „Butterfly“, die sich durch ihre Ehe mit dem amerikanischen Marineleutnant Pinkerton eine gesellschaftliche Höherstellung erhofft. Doch da prallen die Gegensätze des Lebensstils, der unterschiedlichen Kulturen hart aufeinander. Der Konflikt ist schon bei der Hochzeit durch die bedrohliche Figur des Onkel Bonze vorprogrammiert, auch wenn die Zuneigung der beiden in einem innigen Liebesduett zum ersten Aktfinale besiegelt scheint: „Vogliatemi bene, un bene piccolino.“
Während der leichtlebige Pinkerton sich durch diese Hochzeit nach amerikanischem Recht ungebunden fühlt und nach seiner Rückkehr in die Heimat eine Amerikanerin heiratet, wartet Cio-Cio-San zusammen mit ihrem gemeinsamen Kind drei Jahre lang unerschütterlich, aber vergeblich auf die Rückkehr ihres Mannes. Diese hat er ihr versprochen, „wenn die Rotkehlchen wieder brüten“. In ihrer berührenden Arie „Un bel di“, in der deutschen Fassung „Eines Tages seh’n wir uns wieder“, lässt sie ihren Gefühlen freien Lauf. Als Pinkerton tatsächlich wieder auftaucht, gemeinsam mit seiner amerikanischen Gattin, erkennt Cio-Cio-San endlich den wahren Sachverhalt, der sie in Schande stürzt. Sie singt ihre erschütternde Abschiedsarie „Tu, tu, piccolo iddio“ und geht in den eigenen rituellen Tod durch Harakiri.
Exotische Opernlandschaft
Erdacht hat sich diese Handlung, die um 1900 in Nagasaki spielt, das gefragte Autoren-Duo Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach einer Tragödie des Amerikaners David Belasco. Giacomo Puccini, einer der letzten großen Vertreter der spätromantischen italienischen Oper und des Verismo, war sofort Feuer und Flamme, dieses Libretto voller Leidenschaften auf verschiedenen Gefühlsebenen erstmals mit einer zarten fernöstlichen Musik auszustatten, wie er das erst über 20 Jahre später wieder bei seiner „Turandot“ getan hat.
Bei „Madame Butterfly“ verwandte er seine melodiöse Erfindungskunst vorwiegend auf die gesangliche Ausgestaltung der Titelpartie als eine der lebendigsten, reichsten und dankbarsten Rollen für einen lyrischen Sopran, während er die übrigen Figuren eher stiefmütterlich behandelte, was ihm zu seiner Zeit prompt den Vorwurf der „Operettenhaftigkeit“ eintrug. Dafür verschmolz er im Orchester Anklänge an die Leitmotivik Richard Wagners mit dem Reiz exotischen Kolorits und seiner eigenen unverwechselbaren Tonsprache zu einem Werk, das selbstbewusst im Klangbild des 20. Jahrhunderts angesiedelt ist. Da die Handlung keine dramatischen Verwicklungen bietet, griff der Komponist zu zärtlicher Lyrik, die fast alle Szenen dieser Oper in vielen Nuancen und naturalistischen Stimmungen durchpulst – bis zum tränenreichen Finale.
Vom Skandal zum Welterfolg
Die Uraufführung 1904 an der Mailänder Scala wurde zunächst zum Skandal. Der wandelte sich erst nach einer Umarbeitung durch den Komponisten in einen Welterfolg um, der bis heute anhält. „Madame Butterfly“ steht regelmäßig an den größten Opernhäusern der Welt auf dem Spielplan und gilt als Puccinis populärste Oper. Der Name des Komponisten besitzt gerade in Bregenz einen guten Klang. Drei von Puccinis bekanntesten Opern wurden in den letzten beiden Jahrzehnten auf der Seebühne zu gut besuchten und künstlerisch bedeutenden Produktionen: „La Bohème“ 2001/ 2002 mit den überdimensionalen Stühlen, „Tosca“ 2007/2008 mit dem riesigen Auge, das später als Kulisse für den James-Bond-Film „Quantum of Solace“ Verwendung fand, und zuletzt „Turandot“ 2015/2016 mit der gewaltigen Chinesischen Mauer.
Der richtige Ort für dieses Stück
Intendantin Elisabeth Sobotka erinnert sich, wie in der Vorplanung der See als Schauplatz die Auswahl von „Madame Butterfly“ mitbestimmt hat: „Regisseur Andreas Homoki hat von Anfang an so wichtige Sachen gesagt wie ‚Was kann der See, was braucht der See?‘ Nicht unbedingt die Masse, und das hat es überhaupt möglich gemacht, über ein Stück wie ‚Butterfly‘ nachzudenken. Das ist ein sehr, sehr intimes Stück, und da spürt man dann zusammen mit dem Team: Ja, der See kann genau der richtige Ort für dieses Stück sein! Man weiß, man ist am richtigen Weg. Ob es dann klappt, ist wieder eine andere Sache. Aber alle trauen diesem Ort zu, für das ausgewählte Stück eine ganz spezielle neue Sicht zu entwickeln. Ganz oft wurde ich im Sommer gefragt: ‚Und nach ‚Rigoletto‘ wird sich dann noch mehr bewegen und drehen?‘ Nein, weil das Stück bestimmt, was der See macht, und nicht die Fantasie allein, es muss noch greller, noch bunter werden. Es entwickelt sich aus der Atmosphäre, aus der gesamten Energie heraus, die ein Stück hat, und da gibt’s wahrscheinlich wenige so unterschiedliche wie ‚Rigoletto‘ und ‚Butterfly‘ im klassischen italienischen Repertoire.“
Giacomo Puccini wurde am 22. Dezember 1858 in Lucca geboren. Der zu Lebzeiten äußerst erfolgreiche italienische Komponist schrieb in den vierzig Jahren seines künstlerischen Schaffens zwölf Opern. Er verstarb am 29. November 1924.